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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 16 TaBV 60/03
Rechtsgebiete: BetrVG, WO


Vorschriften:

BetrVG § 19
WO § 11 Abs. 1 Satz 2
Der Rücktritt des Betriebsrats in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht lässt das Rechtsschutzinteresse für das Wahlanfechtungsverfahren nicht entfallen.

Die unterlassene Verwendung von Wahlumschlägen ist grundsätzlich ein Grund für die Anfechtung einer Betriebsratswahl.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

16 TaBV 60/03

Verkündet am: 01.03.2004

In dem Beschlussverfahren

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 16.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und die ehrenamtliche Richterin Bosse sowie den ehrenamtlichen Richter Bieck

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 31.07.2003, AZ 3 BV 2/03, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

I.

Die Antragstellerin und Arbeitgeberin betreibt vorliegend ein Verfahren zur Anfechtung der Betriebsratswahl vom 06.05.2003 im Betrieb der Antragstellerin.

Antragsgegner ist der im Betrieb in der Betriebsratswahl vom 06.05.2003 gewählte Betriebsrat.

Aufgrund eines Wahlausschreibens vom 24.03.2003 fand am 06.05.2003 in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin sowohl in der "Kantine" wie auch in der sogenannten "Kantine oben" eine Betriebsratswahl statt. Wegen des Inhalts des Wahlausschreibens wird auf dieses (Bl. 26 d.A.) verwiesen.

Aufgrund des Wahlausschreibens wurden 2 Listen eingereicht und auf der Grundlage des Stimmzettels (Bl. 29 d.A.) gewählt. Die Liste 1 (Kennwort G...) erhielt gemäß der Wahlniederschrift vom 06.05.2003 75 Stimmen, die Liste 2 (Kennwort B...) 42 Stimmen. Insgesamt waren 117 gültige Stimmen abgegeben worden.

Die Arbeitgeberin hat zwei Betriebsteile, den Hauptbetrieb in der S... sowie einen weiteren Betriebsteil in B.... Für diesen Betriebsrat sowie für die LKW-Fahrer wurde die schriftliche Stimmabgabe durch den Wahlvorstand beschlossen.

Der Wahlvorstand war in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Lingen, AZ 3 BV 1/02, eingesetzt worden. In diesem Beschluss vom 21.03.2002 des Arbeitsgerichts Lingen wurde der bisherige Wahlvorstand abberufen und ersetzt durch den neuen Wahlvorstand, bestehend aus den Mitgliedern Herrn Br..., Herrn D... und Frau R.... Als Wahlhelfer wurden bestimmt Frau S..., Frau G... und Herr Sc....

Bei der Betriebsratswahl wurden keine Wahlumschläge verwendet. Die Wahl erfolgte, indem Wahlzettel gefaltet und entsprechend in die Wahlurne eingeworfen wurden.

Mit einem am 19.05.2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin, die am 06.05.2003 durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Sie hält die Wahl aus folgenden Gründen für unwirksam.

1. Es liege ein Verstoß gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 8 der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung, WO) vor. Das Wahlausschreiben sei am 24.03.2003 ausgehängt worden. Die Zwei-Wochen-Frist sei damit am 07.04.2003 um 24:00 Uhr abgelaufen. Gleichwohl habe der Wahlvorstand im Wahlausschreiben den letzten Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten auf den 07.04.2003, 8:00 Uhr angesetzt. Damit sei verhindert worden, dass die Belegschaft die Möglichkeit gehabt hatte, an diesem Tage noch bis zum Betriebsschluss Wahlvorschläge einzureichen.

2. Es liege ein Verstoß gegen die Frist des § 3 Abs. 2 Nr. 3 WO vor. Auch die Frist für schriftliche Einsprüche gegen die Wählerliste sei nach dem Wahlausschreiben am 07.04.2003 um 8:00 Uhr abgelaufen, obwohl diese noch zumindest bis Betriebsschluss an diesem Tag hätte laufen müssen.

3. Es liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Ziffer 12 WO vor. Das Wahlausschreiben vom 24.03.2003 beinhalte keine Betriebsadresse des Wahlvorstandes, vielmehr sei lediglich die Betriebsanschrift angegeben worden.

4. Es liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 10 WO vor. Ausweislich des Wahlausschreibens seien Wahlvorschläge nur in der Anmeldung in S... ausgehändigt worden, wodurch den Mitarbeitern in B... es nicht möglich gewesen sei, sich über die Wahlvorschläge zu informieren.

5. Es liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 WO vor. Die Verwendung von Wahlumschlägen sei erforderlich, weil der Umschlag die Sicht auf den Stimmzettel nach dessen Kennzeichnung bis zum Einwurf in die Wahlurne verdecke. Dieses diene zur Sicherung des Wahlgeheimnisses. Die Nichtverwendung von Wahlumschlägen stelle deshalb einen wesentlichen Verstoß über das Wahlverfahren dar.

Selbst der zusammengefaltete Stimmzettel habe erkennen lassen, für welche Liste gestimmt worden sei. Auch habe erkannt werden können, ob überhaupt keine Stimme abgegeben worden sei. Zumindest hätten dies diejenigen Personen feststellen können, die sich in der Nähe der Wahlurne bzw. des Wählers aufgehalten hätten. Eine Beeinflussung der Wähler durch diesen Umstand sei nicht auszuschließen.

6. Es liege ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 WO vor. Im Wahllokal "Kantine oben" habe sich während des gesamten Wahlvorgangs das Wahlvorstandsmitglied Br... aufgehalten. Neben ihm sei die Wahlhelferin G. anwesend gewesen.

Im Wahllokal "Kantine" seien dauerhaft die Wahlhelferin S... und der Wahlhelfer Sc... anwesend gewesen. Das Wahlvorstandsmitglied D... habe sich dort nur sporadisch und nur für Pausen des anderen Wahlvorstandes sowie der Wahlhelfer in den Wahllokalen aufgehalten. Im Wahllokal "Kantine" sei deshalb nahezu während des gesamten Wahltages dieses nicht mit zumindest einem Wahlvorstandsmitglied besetzt gewesen.

7. Es liege ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 WO vor.

Der Zustand der Wahlurnen habe nicht den Anforderungen genügt. Der Wahlvorstand habe als Wahlurnen einfache Kartons benutzt, die teilweise mit Klebeband umklebt gewesen seien und mit einem manuellen Einschnitt als Einwurfschlitz versehen gewesen seien. Die Schlitze seien so groß gewesen, dass im Wahllokal "Kantine oben" durch den Schlitz schon eingeworfene Wahlzettel erkennbar gewesen seien. Auch hätten durch diesen Schlitz Wahlzettel wieder herausgenommen werden können.

Hinzu komme, dass die Wahlurne der "Kantine" ohne jedwede Sicherung nach Beendigung des Wahlvorganges in der "Kantine" in die "Kantine oben" zur Stimmauszählung transportiert worden sei.

8. Es habe kein Schutz vor Mehrfachabstimmungen von einzelnen Mitarbeitern gegeben, nachdem in zwei Wahllokalen gewählt worden sei.

9. Es habe eine Beeinflussung durch Beobachtung der Wähler stattfinden können, da die Kantine während der Wahl weiter als Kantine genutzt worden sei und Mitarbeiter, die Pause machten, in unmittelbarer Nähe der Wahlurne den Wahlvorgang und die Wähler hätten beobachten können. In Ermangelung von Wahlumschlägen sei erkennbar gewesen, für welche Liste die Mitarbeiter ihre Stimme abgegeben hätten.

10. Es liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 4 WO vor. Der Wahlvorstand habe es unterlassen, das Wahlausschreiben vom 24.03.2003 in der von der Arbeitgeberin in B... unterhaltenen Betriebsstätte auszuhängen.

11. An der Wahl hätten nichtwahlberechtigte Arbeitnehmer teilgenommen. An der Wahl hätten 36 Wähler gemäß der Wählerliste teilnehmen können, die nicht mehr wahlberechtigt gewesen seien, da sie zuvor aus dem Arbeitsverhältnis zur Antragstellerin ausgeschieden gewesen seien. Mit Wirkung zum 04.05.2003 habe die Arbeitgeberin ihre Transport-Abteilung an die Firma W...GmbH veräußert. Die Arbeitsverhältnisse seien zu diesem Zeitpunkt übergegangen. Die Mitarbeiter seien hiervon auch informiert worden. Gleichwohl hätten die Mitarbeiter am 06.05.2003 noch an der Betriebsratswahl teilgenommen, obwohl der Wahlvorstand über diese Tatsache vorher informiert worden sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt:

die am 06.05.2003 durchgeführte Betriebsratswahl ist unwirksam.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, das Wahlausschreiben habe 14 Tage lang ausgehangen. Auch wenn die Frist bis zu Betriebsschluss gelaufen sei, so habe die Festsetzung des Ablaufs der Frist auf 8:00 Uhr morgens keine Auswirkungen gehabt, weil weitere Vorschlagslisten nicht eingereicht werden sollten und auch solche nicht in Vorbereitung gewesen seien.

Ebenso wenig seien Einsprüche vorhanden oder solche beabsichtigt gewesen.

Die Adresse des Wahlvorstandes habe sich oben links auf dem Wahlausschreiben befunden.

Sämtliche Mitarbeiter in B... hätten das Wahlausschreiben persönlich erhalten ebenso wie die Wahlvorschläge, die in S... ausgelegt gewesen seien. Diese seien ihnen per Post durch den Wahlvorstand übersandt worden.

Bezüglich des Nichtbenutzens von Wahlumschlägen sei den Wählern jeweils von den Wahlvorstandsmitgliedern bzw. Wahlhelfern erklärt worden, den Wahlzettel in der Wahlkabine mindestens zweifach zu falten. Der Schlitz sei auch nicht breit genug gewesen, um den Stimmzettel nur bei einfacher Faltung einzuwerfen. Es sei ausgeschlossen gewesen, dass erkennbar gewesen sei, für welche Liste abgestimmt worden sei.

Während des Wahlvorganges sei durchgehend mindestens je ein Wahlvorstandsmitglied zugegen gewesen.

Die Wahlurne sei ein dicker Karton gewesen mit den Maßen 30 x 30 x 50 cm bei einer Dicke von 5 mm und sei darüber hinaus mit einem breiten Klebestreifen umwickelt gewesen. Auch sei mit einem Klebestreifen der Schlitz verstärkt gewesen. Der Schlitz sei ca. 14 cm lang und 1 cm breit gewesen. Ein Herausnehmen von Stimmzetteln ohne Zerstörung der Urne sei nicht möglich gewesen. Beide Wahlurnen habe der Vorsitzende zur Stimmauszählung transportiert.

Ein Schutz vor Mehrfachstimmabgaben sei vorhanden gewesen, da kein freier Zugang der Mitarbeiter zu beiden Kabinen bestanden habe.

Die Wahl in den Kabinen habe in einer nicht einsehbaren Wahlecke stattgefunden. Ein Beobachten der Wähler oder des Wahlvorganges sei nicht möglich gewesen.

Der Wahlvorstand habe den in B... beschäftigten Mitarbeitern das Wahlausschreiben persönlich zugesandt. Alle 8 Mitarbeiter hätten auch Briefwahl gemacht.

Bestritten werde, dass ein Betriebsübergang am 04.05.2003 stattgefunden habe. Im Übrigen hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, dass das Wahlrecht bis zum Ablauf der Widerrufsfrist des § 613 a BGB noch bestanden hätte.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen vom 31.07.2003 wurde die am 06.05.2003 durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Wegen des Inhalts dieses Beschlusses wird auf diesen (Bl. 55 - 60 d.A.) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Betriebsrat am 14.08.2003 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 02.09.2003 Beschwerde ein und begründete diese gleichzeitig.

Zur Begründung der Beschwerde trägt der Betriebsrat vor, der Wahlvorstand habe alle geeigneten Maßnahmen getroffen, um die Geheimhaltung des Wahlvorganges sicherzustellen. Zum einen habe es sich um schmale Einwurfschlitze bei der Wahlurne gehandelt, so dass der Stimmzettel nur bei zweimaliger Faltung hätte eingeworfen werden können. Die Mitarbeiter seien auf die Notwendigkeit der zweifachen Faltung hingewiesen worden. Die Wahlurne habe sich auch in unmittelbarer Nähe der Wahlkabine befunden.

Die Wahlhelfer seien auch vom Betriebsrat als Ersatzmitglieder bestimmt worden in der Reihenfolge S..., G... und Sc.... Insoweit hätten diese in dieser Reihenfolge als Vertreter des Wahlvorstansmitglieds R... tätig werden dürfen. Es sei gewährleistet gewesen, dass zumindest ein Wahlvorstandsmitglied oder ein berechtigtes Ersatzmitglied im Wahllokal anwesend gewesen sei.

Die Stimmabgabe sei mit Kugelschreiber erfolgt.

Es habe insgesamt 23 Briefwählerstimmen gegeben, die jeweils mit dem Wahlumschlag vor der Stimmauszählung in die Wahlurne eingeworfen worden seien. Briefwahlstimmen hätten alle Mitarbeiter in B... abgegeben sowie diverse Mitarbeiter aus S....

Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Betriebsrates vom 02.09.2003 (Bl. 68, 69 d.A.) sowie vom 28..11.2003 (Bl. 117 - 119 d.A.) verwiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen vom 31.07.2003, AZ 3 BV 2/03, abzuändern und den Antrag der Antragstellerin, die am 06.05.2003 durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde abzuweisen.

Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 19.09.2003 (Bl. 74 - 76 d.A.) sowie vom 28.11.2003 (Bl. 137 - 144 d.A.). Hierauf wird verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16.01.2004 hat der Betriebsrat einen Beschluss des Betriebsrates vom 14.01.2004 vorgelegt, nach dem dieser vor dem Landesarbeitsgericht Hannover zurücktritt und sich als Wahlvorstand für die Neuwahl zur Verfügung stellt. Dieser Beschluss trägt vier Unterschriften (Bl. 177 d.A.).

Inwieweit dieser Beschluss wirksam ergangen ist, konnte in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Für das vorliegende Verfahren ist nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben.

Zwar hat der Betriebsrat gemäß dem von ihm vorgelegten Beschluss seinen Rücktritt erklärt. Unabhängig davon, ob dieser Beschluss wirksam ergangen ist, führt dieser Rücktritt nicht dazu, dass das Rechtsschutzbedürfnis für das Anfechtungsverfahren entfallen ist. Ein solches Rechtsschutzinteresse kann erst dann entfallen, wenn der zurückgetretene Betriebsrat von einem neu gewählten Betriebsrat abgelöst wird oder die normale Amtszeit abgelaufen ist (vgl. Beschluss des BAG vom 13.03.1991, AZ 7 ABR 5/90 in NZA 1991, 946 sowie LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.03.1999, AZ 4 TaBV 51/98 in NZA-RR 1999, 523 - 525).

Folge des Rücktritts des Betriebsrates ist, dass dieser weiterhin im kommissarischen Amt bleibt, und einen neuen Wahlvorstand zu bestellen hat, damit eine Neuwahl durchgeführt werden kann. Die rechtskräftige Anfechtung der Wahl hat hingegen die Folge, dass der Betriebsrat auch nicht mehr die Geschäfte bis zur Neuwahl weiterführt. Zwar bleiben die bisher vorgenommenen Handlungen des Betriebsrates wirksam, jedoch wirkt die Rechtskraft des Beschlusses über die erfolgreiche Anfechtung der Wahl in die Zukunft, so dass eine erfolgreiche Anfechtung zu einem betriebsratslosen Betrieb führt. Auch darf ein Betriebsrat, dessen Wahl erfolgreich angefochten worden ist, keinen Wahlvorstand mehr bestellen.

Rücktritt des Betriebsrates und erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl haben deshalb unterschiedliche Rechtsfolgen, so dass jeweils entsprechend dem Stand des Verfahrens noch unterschiedliche Rechte des gewählten Betriebsrates bestehen können. Dieses führt dazu, wenn die Parteien das Verfahren nicht für erledigt erklären, dass das Gericht über die Anfechtung noch zu entscheiden hat, da ein solcher Beschluss noch Auswirkungen auf das Vorhandensein eines Betriebsrates im Betrieb haben kann.

Die Kammer ist mit dem Arbeitsgericht Lingen der Auffassung, dass die unstreitig unterlassene Verwendung der Wahlumschläge bei der Betriebsratswahl ein ausreichender Wahlanfechtungsgrund nach § 19 Abs. 1 BetrVG ist. Zu Recht führt das Arbeitsgericht aus, dass die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 WO das in § 14 Abs. 1 BetrVG normierte Wahlgeheimnis als Ausdruck eines elementaren Grundsatzes jeder Wahl sichern soll. Auch wird zwingend angeordnet, dass die Stimmabgabe in Wahlumschlägen vorzunehmen ist.

Anders als die Wahl zu einem Parlament, die regelmäßig ohne Wahlumschläge stattfindet, ist bei der Betriebsratswahl das besondere Erfordernis der Benutzung von Wahlumschlägen vorgesehen.

Bei einer Wahl zum Parlament ist eine ungleiche größere Zahl von Wählern aufgefordert, das jeweilige Kommunal-, Landtags- oder Bundestagsparlament zu wählen. Dieses erfolgt gleichermaßen durch Abgabe der Stimmen in einem Wahllokal wie auch durch eine Vielzahl von Briefwählern. Die Briefwählerstimmen werden bei einer Parlamentswahl jedoch gesondert an einer Briefwahlstelle gesammelt, dort geöffnet und gezählt. Aufgrund der großen Vielzahl der Stimmen ist insoweit eine irgendwie geartete Möglichkeit der Rückermittlung, wer oder welche Gruppe wie gewählt hat, unter allen Umständen ausgeschlossen. Grundsätzlich verlangt deshalb die Gewährleistung des Wahlgeheimnisses nicht zwingend die Verwendung von Wahlumschlägen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.12.1981, AZ 7 B 132.81).

Bei der Betriebsratswahl liegen aber andere Voraussetzungen vor.

Dieses ergibt sich im vorliegenden Fall insbesondere aus folgenden Tatsachen.

Zum Beispiel für den Betriebsteil B... ist schriftliche Stimmabgabe beschlossen. Diese Personen mussten deshalb Briefwahl machen, um an der Wahl zum Betriebsrat teilzunehmen.

Wird nunmehr bei der Betriebsratswahl ohne Wahlumschläge gewählt, so hat der Wahlvorstand gemäß § 26 WO unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge der Briefwähler zu öffnen, die Wahlumschläge zu entnehmen und den Wahlumschlag in die ungeöffnete Wahlurne einzuwerfen. Dies ist vorliegend auch geschehen. Damit befanden sich in der Wahlurne sowohl Stimmen im Wahlumschlag wie auch Stimmen ohne Wahlumschlag.

Bei Öffnung und öffentlicher Auszählung der Stimmen war deshalb erkennbar, in welcher Weise die Briefwähler gewählt haben. Hierbei könnte sich herausstellen, dass sämtliche Briefwähler oder zumindest der überwiegende Teil nur eine der beiden Listen gewählt hat, so dass ein Rückschluss darauf möglich wäre, wie der Betriebsteil B... oder wie z.B. die LKW-Fahrer, für die auch schriftliche Stimmabgabe beschlossen wurde, gewählt haben.

Damit wäre das Wahlgeheimnis verletzt, da für jedermann erkennbar, wie die Briefwähler gewählt haben.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 WO, die zwingend die Stimmabgabe in Wahlumschlägen vorsieht, gehört deshalb tatsächlich bei einer Betriebsratswahl zu den elementaren Grundsätzen, um in einer solchen insgesamt kleineren Einheit das Wahlgeheimnis unter allen Umständen zu wahren. Das Wahlgeheimnis selbst stellt aber so eine grundlegende Bedingung einer demokratischen Wahl dar, so dass ein Verstoß dagegen zur Anfechtung der Wahl führen muss.

Die Tatsache, dass der überwiegende Teil der Wähler ohne Wahlumschlag gewählt hat, führt auch zu einem anderen Ergebnis der Wahl. Rechtsfolge der Tatsache, dass Wahlumschläge nicht benutzt worden sind, ist, dass alle abgegebenen Wählerstimmen, die ohne Wahlumschlag in die Wahlurne eingeworfen sind, ungültig sind. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch das Wahlergebnis beeinflusst worden wäre.

Die am 06.05.2003 durchgeführte Betriebsratswahl ist deshalb für unwirksam zu erklären. Die Beschwerde des Betriebsrates ist zurückzuweisen.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist damit ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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